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Führung durchs Oldenburger Computermuseum. OCM

Zeitreise durch Bits und Bytes

18. Juni 2024

Ein großer Spaß für Menschen, deren Jugend Atari und C64 geprägt haben – und alle anderen, die sich auf die Hands-on-Ausstellung einlassen.

Es ist eine bundesweit einzigartige Sammlung, die das Oldenburger Computer-Museum (OCM) im alten Postgebäude am Bahnhof zeigt. Denn: Die Ehrenamtlichen halten alle Geräte funktionsbereit. Und werden nicht müde, das Museum liebevoll und kreativ zu einem Ort der Begegnung zu gestalten.

„Das ist eines meiner Lieblingsstücke, das müssen Sie mal anheben“, fordert mich Herbert Weerts auf. Die unscheinbare beige Metallkiste ist ganz schön schwer. „Das ist ein Osborne 1, einer der ersten tragbaren Computer. Sozusagen das erste Laptop“, klärt mich der pensionierte Lehrer auf, der sich ehrenamtlich im Oldenburger Computer-Museum engagiert. Bei einer privaten Führung zeigt er mir, was die Faszination der Sammlung ausmacht. Und wieso er sich in der OCM-Gemeinschaft so wohl fühlt. 

Herbert Weerts und Thiemo Eddiks. Foto: OCM

Zeitreise durch die Heimcomputerentwicklung

Auf rund 600 Quadratmetern finden sich in der Dauerausstellung an 77 Stationen 161 Exponate aus zwei Dekaden Heimcomputerentwicklung: vom schrankgroßen Digital PDP-8/e mit Lochkarteneingabegerät bis zum PC ESCOM 386sx Blackmate. Alle können ausprobiert werden. Im Anschluss laden Spielekonsolen der ersten sechs Generationen von den 1970er- bis in die 2000er-Jahre zum Daddeln ein. Bei Sonic The Hedgehog oder Pong fühlen sich die einen wieder jung, für die anderen ist es ein Retro-Vergnügen. Start und Ende der Zeitreise bilden zwei Wohnzimmer, stilecht im Ambiente der 1970er und 1980er eingerichtet. So detailverliebt, dass sie fast eigene Ausstellungen sind.

Das OCM öffnet dienstagabends und immer am zweiten Sonntag des Monats seine Türen. Führungen sind auch an anderen Terminen möglich. Dazu gibt es Konzerte, Lesungen und Vorträge, immer mit Bezug zu Medien oder Medienkompetenz. Mehrmals im Jahr ist beim „OCM Play“ zusätzlich die große Arcade-Halle mit Flippern und mehr geöffnet. Die Räume lassen sich auch für private Veranstaltungen mieten, vom Kindergeburtstag bis zum Firmenempfang mit Führung.

Ausprobieren erwünscht

Zurück zum ersten Tablet. Mit knapp elf Kilogramm aus heutiger Sicht alles andere als handlich, für Versicherungsvertreter damals ein Quantensprung, lerne ich. Sie konnten unterwegs Vertragsformulare ausfüllen oder Tarife berechnen. Auf einem winzigen 5-Zoll-Bildschirm mit 64 Kilobyte Hauptspeicher, ohne Ton oder Grafik. Hätte ich mehr Zeit, könnte ich das Gerät ausprobieren. „In jeder Schreibtischschublade findet sich eine leicht verständliche Kurzanleitung“, erklärt Herbert Weerts. „Wir haben uns kleine Projekte überlegt, mit denen man ein Gefühl für die Arbeitsweise bekommt.“ Mal wird mithilfe von Programmiercode ein Kreis erzeugt, mal ein Basic-Programm geschrieben. Alte Spiele gehören auch dazu. Beim Sinclair ZX81, dem einfachsten Computer für Normalverdiener, muss man zuerst den Programmcode abtippen: Der Hauptspeicher hat nur 1 Kilobyte.

Überzeugter Ehrenamtler

„Mein erster Rechner war ein C64“, erinnert sich Herbert Weerts. Im Kollegium gab es dafür viel Ärger. „Ein Lehrer hat keinen Computer“, hieß es damals. Weerts lässt sich nicht abhalten, findet es einfach praktisch. Er unterrichtet mit Freude die ersten Laptop- und iPad-Klassen. Nach der Pensionierung zieht er nach Oldenburg, um den Kindern näher zu sein. Und sucht eine Beschäftigung, die ihn fordert. „Ich konnte mir gut vorstellen, Führungen zu geben. Als ich das Computer-Museum entdeckt habe, wusste ich: Yes, das ist es.“ Weerts ist mit Abstand der Älteste hier. Kein Nachteil, findet er. Jede Person bringe ihre eigenen Vorlieben und Erfahrungen ein. „Die anderen erzählen aus ihrer Jugend, ich habe unsere Technik hier schon im Berufsleben verwendet.“ Aufsicht, Führungen, Werkstatt oder Inventarisierung – alles läuft ehrenamtlich. „Das ist eine ganz tolle Gemeinschaft, die viel schafft.“  

Vom Hobby zum Museum

Dass es diese Gemeinschaft überhaupt gibt, geht auf die Initiative von Thiemo Eddiks zurück. Als Kind lernt er beim Nachbarn programmieren, heute ist er 3-D-Grafiker. „In den 90er-Jahren wurden die Traumgeräte meiner Jugend bezahlbar und ich habe angefangen, sie zu kaufen“, erklärt der Oldenburger. Was auf Flohmärkten beginnt, nimmt mit Ebay Fahrt auf. Die Sammlung ist als „Daddelecke“ Highlight mancher Firmenfeier. Durch temporäre Ausstellungen gibt es mediale Aufmerksamkeit, Interessierte und Sachspenden – ein Kreislauf beginnt. Ein gemeinnütziger Verein wird gegründet.

Bald öffnet das OCM 400 weitere Quadratmeter für Besucher:innen. „Wir richten gerade eine Halle für einen Schulungsraum, Sonderausstellungen und bestuhlte Veranstaltungen her.“ In einem riesigen Lager-Regal wird auch ein Großteil des Depots zu sehen sein. „Aktuell sucht der Verein Anschub-Förderer für eine feste Stelle, die unsere neuen Räume mit Leben füllt und Netzwerke knüpft.“ Perspektivisch soll sie sich durch Buchungen selbst finanzieren. An den ehrenamtlichen Aufgaben ändert sich nichts.  

Großer Spaß für die Jugend

Was Herbert Weerts besonders freut: Gerade werden neue Angebote für Schulklassen getestet. Neben Führungen wird es Module geben, aus denen Lehrkräfte einen ganzen Vormittag zusammenstellen können. „Da werden PCs zusammengebaut oder Grundlagen von Logik und Codes erarbeitet.“ Der pensionierte Lehrer ergänzt: „Wir können ganz neue Lernanreize bieten. Ich habe oft erlebt, wie ehrgeizig programmiert wird, obwohl es in Mathe nicht gut läuft. Oder dass trotz Leseschwäche Textadventures gelöst werden.“

Seit kurzem ist Informatik-Unterricht Pflicht – das OCM bietet sich als spannender Lernort an. Und klar: Die jungen Gäste lieben auch die alten Konsolen. Und die Bravo-Ausgaben aus der Kindheit ihrer Eltern im Retro-Wohnzimmer. Die Wählscheiben-Telefone sowieso. Das OCM macht einfach Spaß. Ich weiß jetzt schon: Ich werde wiederkommen. Mit mehr Zeit. Und mit meinen Kindern. Und dann schauen wir mal, wer beim Zocken gewinnt.