
Medizin studieren neu gedacht
23. Oktober 2024Ein Studium. Zwei Universitäten. Eine einzigartige Ausbildung.
Mit der Errichtung des Modellstudiengangs Humanmedizin bietet die Universität Oldenburg seit dem Wintersemester 2012/13 mit einem Staatsexamen in Deutschland und enger Kooperation mit der Rijksuniversiteit Groningen in den Niederlanden erstmals eine grenzübergreifende Medizinausbildung.
Vor gut zehn Jahren begannen die ersten 40 Studierenden ihre Ausbildung an der European Medical School Oldenburg-Groningen (EMS). Mittlerweile stehen jährlich 120 Studienplätze auf Oldenburger Seite zur Verfügung. Die EMS ist eine Chance für die Studierenden. Ein maßgeblicher Bestandteil der Kooperation ist die Anatomielehre. An der Universität Oldenburg gibt es bisher keine Möglichkeit, sogenannte „Nass-Anatomie“ durchzuführen. Konkret bedeutet das: Es können keine Leichname zu Lehrzwecken seziert werden.
Studium über Grenzen hinaus
Hier kommt die Universität in Groningen ins Spiel: In den ersten drei Studienjahren fahren die Studierenden mehrmals dorthin, um Anatomie an echten Körpern zu erlernen. Lisa Schwarzkopf ist 26 Jahre alt und studiert im zehnten Semester Humanmedizin an der EMS. Sie ist froh über diese Möglichkeit. „Die Kooperation ist für die Lehre der Anatomie an den Körperspendern sehr wichtig“, sagt sie. Zusätzlich profitieren die Studierenden vom Austausch mit Kommiliton:innen und der gemeinsamen Erfahrung. „Wir fahren mit einem Reisebus etwa anderthalb Stunden nach Groningen und verbringen dort den Tag gemeinsam. Es ist ein bisschen wie auf Klassenfahrt“, berichtet die gebürtige Marburgerin lächelnd.
Die enge Bindung unter den Studierenden ist nicht zuletzt der überschaubaren Studienganggröße geschuldet. „Wir kennen uns untereinander und auch die meisten Profs ziemlich gut“, erzählt Lisa Schwarzkopf. „Dadurch, dass der Studiengang noch so jung ist, wird die Fachschaft stark involviert und man kann sich viel hochschulpolitisch engagieren. Das würde ich auch jedem Studi empfehlen.“ Ebenfalls empfohlen wird das Auslandssemester in Groningen im dritten Jahr. Die Kontakte außerhalb der eigenen Kommiliton:innen und die Arbeit mit einem komplett anderen Medizin- und Lehrsystem bringen wertvolle Erfahrungen mit sich.
Das Besondere an der EMS: eine praxisnahe Ausbildung mit internationaler Ausrichtung. Ein in Deutschland einmaliges Konzept. „Der praxisorientierte Ansatz des Studiums ermöglicht es uns, frühzeitig praktische Erfahrungen zu sammeln und uns mit den Herausforderungen des medizinischen Alltags vertraut zu machen“, sagt die angehende Ärztin. „Und nebenbei bemerkt machen mir persönlich die Untersuchungskurse und Praktika auch einfach am meisten Spaß.“
Praxisnah von Beginn an
Im Vergleich zu anderen Studiengängen oder -standorten wird in Oldenburg Vorklinik und Klinik nicht mehr streng getrennt. „Das erste Praktikum haben wir schon sechs bis acht Wochen nach Studienstart im ersten Semester“, erzählt Lisa Schwarzkopf. „Das macht das Studium so interessant, denn ich weiß direkt: Ah, hier kann ich das Gelernte anwenden.“ Die Regel, dass die Studierenden zunächst die Module Physik, Chemie, Biochemie, Anatomie und Physiologie abgeschlossen haben müssen, bevor sie an die Patient:innen kommen, durchbricht der Modellstudiengang somit.
Wer Humanmedizin an der Universität Oldenburg/EMS studiert, durchläuft im Studium vier einwöchige Hospitationen in Hausarztpraxen in den ersten drei Jahren, mehrere Blockpraktika im vierten und fünften Studienjahr in Krankenhäusern und eins in einer weiteren Hausarztpraxis sowie das Praktische Jahr. „Das ist die Krönung des Studiums“, betont Maria Bösenberg. Sie ist Fachärztin für Allgemeinmedizin in der Hausarztpraxis im Lambertihaus und außerdem im hausärztlichen Beirat der Abteilung Allgemeinmedizin. „Im Falle meiner Praxis ist die Zusammenarbeit mit der Uni besonders eng verzahnt, weil auch der Lehrstuhlinhaber Professor Michael Freitag in unserem Ärzteteam mitarbeitet“, berichtet sie. „Das bringt viel Lebendigkeit und Nähe zur Fakultät.“ Insgesamt arbeitet die Abteilung Allgemeinmedizin mit rund 220 Lehrpraxen zusammen, in denen die Hospitationen und Blockpraktika durchgeführt werden können.
Für Patient:innen in der Region hat sich die Versorgungssituation seit Gründung der Oldenburger Universitätsmedizin merklich verbessert. In den vier Kooperationskrankenhäusern stehen ihnen 27 Universitätskliniken zur Verfügung, in denen jährlich mehr als 50.000 stationäre und über 130.000 ambulante Fälle behandelt werden.
Oldenburg – eine Heimat für die Medizin
Sowohl die Praxen als auch die Studierenden profitieren maßgeblich von dieser Zusammenarbeit. „Gerade die ersten Hospitationen bringen uns unglaublich weiter, weil wir so früh viele Erfahrungen sammeln dürfen“, sagt Lisa Schwarzkopf. Aber auch für die Praxen haben die Hospitationen Vorteile. „Wir Hausärzte hoffen natürlich, dass die Studierenden sich unsere Praxen als Ort merken, an dem sie ihre Studienergebnisse später umsetzen wollen. Das ist denke ich das Wichtigste“, sagt Maria Bösenberg. Und ergänzt: „Natürlich möchten wir die zukünftigen Ärztinnen und Ärzte gern in unserer Region halten.“
Denn Oldenburg ist bekannt dafür, ein herausragender Medizinstandort zu sein – nicht nur aufgrund der hervorragenden Ausbildungsmöglichkeit der Universitätsmedizin Oldenburg. „Die Stadt hat genau die richtige Größe, ist so verzahnt, dass die Krankenhäuser und Praxen untereinander Kontakt halten können. Und die Oldenburgerinnen und Oldenburger sind nette, aufgeschlossene Menschen und Patienten“, findet Bösenberg. „Es macht einfach Spaß, hier als Ärztin tätig zu sein.“